Stell dir vor es ist Meeting, und alle wollen hin
Meetings kosten Zeit, Nerven und sind wenig effektiv. Noch heute verfügen viele Unternehmen weder über definierte Meetingprozesse, noch unterscheiden sie bei ihren Meetings nach Zwecken. Dennoch können wir nicht ohne sie. Die gute Nachricht: Mit nur wenig Aufwand lässt sich hier große Wirkung erzielen.
Während meines beruflichen Werdeganges durfte ich eine Vielzahl unerträglicher Meetings erleben. Hier meine Top-3 prominenter Ärgernisse:
Platz 3: Meeting um des Meetings Willen
Kaum zu glauben, aber allzu oft bleibt der Einladende eine Antwort auf eine einfache aber entscheidende Frage schuldig: „Woran werden wir erkennen, dass dieses Meeting uns weitergebracht hat?“ Das ist umso ärgerlicher, wenn an dem Meeting mehr Leute teilnehmen als nötig. Ein Trend der sich leider bei Telefonkonferenzen und Webmeetings eher noch verstärkt.
Platz 2: Keine Meeting-Struktur – Keine straffe Moderation
Ich erlebe auch heute noch zahlreiche Meetings, in denen die ersten zwei Agendapunkte 90% der Zeit verschlingen. Es ist zwar alles gesagt worden, aber noch nicht von jedem. Leider stehen die wirklich wichtigen Themen oft weiter hinten auf der Liste und müssen so in den letzten 10 Minuten abgefrühstückt werden – fast immer mit unbefriedigenden Ergebnissen.
Platz 1: Das Umsetzungs-Vakuum
Am meisten beeindruckt mich jedoch die Konsequenz, mit der im Meeting beschlossene Vorhaben, Projekte oder Aktionen später nicht umgesetzt werden. Manchmal erweckt es fast den Anschein, dass die „To Do’s“ von den Teilnehmenden nur zum Schein übernommen werden. Getreu dem Motto: „Ich stimme zu, dann habe ich meine Ruhe. Den Rest sitze ich einfach aus.“ Ich unterstelle dabei niemandem eine bewusst sabotierende Haltung. Vielmehr scheint es sich um eine funktionierende Strategie zu handeln, in einer solchen Meetingkultur trotzdem noch seine Arbeit zu schaffen.
Warum Meetings trotzdem so wichtig sind
Meetings sind also oft nicht nur ermüdend und nervtötend, sondern zu allem Überfluss auch noch ineffektiv. Da wir alle durchaus besseres zu tun haben, als unsere Zeit in energiefressenden Besprechungen zu vergeuden, warum sie nicht einfach abschaffen?
Soll doch einfach jeder nur seinen Job machen, dann läuft die Sache schon, oder? Natürlich nicht. Es ist ja die Grundidee einer Organisation, dass mehrere Menschen an einem gemeinsamen Ziel arbeiten. Dazu bedarf es zwingend der Koordination und damit der Kommunikation untereinander. Es geht also nicht darum, Meetings abzuschaffen, nicht mal darum weniger davon durchzuführen, vielmehr geht es um bessere Meetings. Gute Meetings beschleunigen die Arbeit, in dem sie zu besseren und zügigeren Entscheidungen führen. Sie bringen Menschen schneller auf einen gleichen Stand und reduzieren so die üblichen Umwege, um an die relevanten Informationen zu kommen. Und sie vermögen ein kreatives Potenzial herbeizuführen, das wir alleine für uns niemals erschließen könnten.
Wie Meetings sinnvoll geführt werden können
Glücklicherweise müssen wir auf der Suche nach Besserung das Rad nicht komplett neu erfinden, sondern können auf wohl erprobte Meetingkonzeptionen zurückgreifen. Die hier vorgestellte Vorgehensweise ist eines der Kernelemente von Holacracy und wurde inspiriert durch Patrick Lencioni’s großartiges Buch „Tod durch Meeting“ (2009, WILEY-VCH-Verlag)
Verschiedene Meetingarten für verschiedene Zwecke
Eine große Quelle der Verwirrung besteht bereits in dem Versuch, jede Art von Anliegen in ein und dasselbe Meeting zu stopfen und sich – noch schlimmer – dessen oft noch nicht einmal bewusst ist. Handelt es sich um eine neue Vertriebsstrategie? Geht es darum, ein Problem in der Fertigung zu beseitigen oder möchte man klären, wer zukünftig für die Aktualität der Website verantwortlich ist? Jedes Anliegen erfordert eine andere Meetingart, und es gibt geistige Magenverstimmung wenn wir sie vermischen. Es bietet sich an, zwischen mindestens drei verschiedenen Meetingtypen zu unterscheiden. Alle folgen einem eigenen stringenten Prozess.
Operative Meetings
Diese Meetings dienen der effektiven Ausführung des Tagesgeschäfts und behandeln alle Anliegen, die der Einbeziehung mehrerer Rollen bedürfen. Sie ermöglichen gegenseitige Synchronisation sowie die Klärung inhaltlicher Spannungsfelder. Die zu beseitigenden Probleme in der Fertigung aus dem obigen Beispiel gehören in diese Kategorie.
In operativen Meetings hat jeder die ausdrückliche Verantwortlichkeit, vorhandene Probleme oder Verbesserungsideen einzubringen und einen Lösungsvorschlag zu präsentieren. Ein optimierter Meetingprozess sorgt dafür, dass alle Anliegen identifiziert, aufbereitet und in klare nächste Aktionen oder Projekte gefasst werden.
- Zügiger Review von Kennzahlen, Projektstati und Checklisten
- Agenda wird mit Teilnehmern im Meeting erstellt – Was ist jetzt gerade wichtig?
- Keine Vermischung von Anliegen – Es geht zu jeder Zeit um genau ein Thema
- Fokus liegt auf dem nächsten gangbaren Schritt – keine endlosen Problemanalysen
- Alle vorgebrachten Themen werden geklärt; in jedem Meeting
In der Regel werden Operative Meetings wöchentlich gehalten, wenngleich die Frequenz je nach Kontext variieren kann. Eine tägliche Version davon sind sogenannte Stand-Up Meetings. Fünf bis zehn Minuten am Morgen, für einen kurzen Abgleich des Vortages und die Koordination des anstehenden Tages.
Steuerungsmeetings
Währenddessen es bei den operativen Meetings um die Arbeit in der Organisation geht, adressieren Steuerungsmeetings die Arbeit an der Organisation. Auch diese Meetingart wird gespeist durch betriebliche Bedürfnisse oder Probleme. Hier werden neue Rollen geschaffen, unklare Verantwortlichkeiten geklärt und Entscheidungskompetenzen zugewiesen. In dem obigen Beispiel könnte man z.B. die Rolle „Websitemanager“ schaffen und ihr die Verantwortlichkeit: „Website auf dem neuesten Stand halten“ zuordnen.
- Agenda wird im Meeting erstellt
- Zielt auf schnelle inkrementelle Verbesserungen
- Generiert explizite und aussagekräftige Rollenbeschreibungen
- Integrativer Entscheidungsprozess: Bezieht alle Perspektiven ein ohne ewige Diskussionen
Besondere Erwähnung verlangt die Art und Weise, wie Entscheidungen getroffen werden: Ein Vorschlag bedarf nicht etwa der Zustimmung aller Anwesenden (Konsens), nicht einmal der einfachen Mehrheit (Demokratie), sondern er gilt als angenommen, wenn kein sachlich begründbarer Einwand vorgebracht wird. Sachlich begründet ist ein Einwand nur, wenn der Einwendende glaubhaft darstellt, dass die vorgeschlagene Änderung dem Unternehmen Schaden zufügen oder es von seinem Unternehmenszweck wegführen würde. Ist dies der Fall wird der Einwand berücksichtigt und findet in einem optimierten Vorschlag seine Integration.
Strategie Meetings
Manchmal ist es nötig einen Schritt zurück zu treten, das Big Picture anzuschauen und die unternehmerische Ausrichtung anzupassen oder neu zu ordnen. Eine Strategie bestimmt auf einer höheren Flugebene die Marschrichtung des Unternehmens: Passt unser Unternehmenszweck noch? Welche großen Ziele resultieren daraus? Welche Kundenklientel adressieren wir mit welchen Produktbereichen?
Auch das Strategie Meeting folgt einem stringenten Prozess, der für die nötigen Reflexions- und Kreativitätsprozesse einen angemessenen Rahmen schafft. Entschieden wird über die angepasste Strategie anhand des gleichen Integrativen Entscheidungsprozesses wie beim Steuerungsmeeting. Das Ergebnis ist eine für alle handlungsleitende Strategie, aus der, wie beim operativen Meeting konkrete nächste Aktionen und Projekte resultieren. Strategie Meetings werden in der Regel vierteljährlich oder halbjährlich manchmal auch nur jährlich durchgeführt.
Sie werden erleben, dass diese Meetingprozesse bereits für sich allein zu einer ungeahnten Effektivitätssteigerung führen. Ihr gesamtes Potenzial entfalten Sie allerdings erst, wenn sie eine übergeordnete soziale Architektur eingebunden sind. Mehr dazu hier.